Mein erster Alleinflug
Was ein Segelflugschüler nie vergessen wird...

"Flugplatz Feldkirchen, nächstes Segelflugzeug am Start, Blanik, Oscar Echo 5-6-6-7, Schulflug 500 Meter". 
Die Vorflugkontrolle ist abgeschlossen – Querruder, Höhenruder, Seitenruder, Bremsklappen, die Trimmung etwas nach vorne geschoben, Schleppkupplung gecheckt, den Höhenmesser auf 520 Meter eingestellt. Nun warte ich, wie üblich, dass der Fluglehrer einsteigt und die Schleppmaschine herbeirollt. Die Schleppmaschine kommt zwar, aber der Fluglehrer bleibt neben dem Blanik stehen, als ob ihn das alles nichts anginge. 

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UM HIMMELSWILLEN!
"Ich bin eh am Funk bei dir!", sagt der Fluglehrer lapidar. Häää – was meint er? Ach du Sch... Das Adrenalin schießt augenblicklich bis in die letzten Kapillaren, den Puls spür' ich am Hals, der Mund wird trocken und die sonst trockenen Hände triefen vor Schweiß. Langsam check' ich, was er vorhat. Das kann nicht sein Ernst sein, das wird er nicht wagen, mich jetzt schon alleine fliegen zu lassen, um Himmelswillen. Ich, Blanik, hoch oben, allein. Hilfe, ich will aussteigen! Aber er riskiert's!

Da kauere ich nun, ich armes Würstchen, festgezurrt auf dem Sitz, kann mich kaum rühren. Ich hab‘ doch erst zehn Starts, oder waren es fünfzig oder siebenundzwanzig – verdammt, ich weiß es nicht mehr, ich habe alles vergessen. Ist jetzt auch völlig wurscht. Lampenfieber hoch vier! Das Schleppseil ist schon eingeklinkt, wie automatisiert strecke ich den Daumen nach oben, die Flächen werden angehoben, das Seil spannt sich, die Motormaschine gibt Vollgas.

NUN GIBT ES KEIN ZURÜCK MEHR!
Nach wenigen Sekunden schwebt der Blanik knapp über den Boden, die Motormaschine hebt ab, wir fliegen über’s Bleistätter Moor zum Ossiacher See, drehen im großen Bogen zurück in Richtung Flugplatz. Feldkirchen liegt im schönsten Licht unter uns. Über der Pollenitz haben wir die Schlepphöhe von 500 Meter über Grund erreicht, der Höhenmesser zeigt 1020 Meter. Die Schleppmaschine wackelt mit den Flächen, ich klinke und drehe nach rechts ab. Die nächsten paar Minuten sind so unbeschreiblich, ich werde sie mein Leben lang nie vergessen.

FUNKSTILLE
Am Funk bleibt’s verdächtig still, und hinter mir sitzt niemand, der da dauernd tschentscht: "Fläch'n henkt!" Offensichtlich mache ich bis jetzt nichts falsch. Leise Windgeräusche, Sonne, blauer Himmel, ich fühle mich wie der König der Lüfte. Zwei Kreise links, zwei Kreise rechts, ich bin auf 800 Meter Seehöhe. Nun melde ich mich wieder am Funk und sag’ artig mein Sprücherl auf: "Oscar Echo 5-6-6-7, bin an der Position, gehe in den Gegenanflug zur Landung auf Zwei-Null" - "Zweinulleigenesermessen" nuschelt's zurück. Im Queranflug überfliege ich den Hauptplatz von Feldkirchen, ruhig und konzentriert drehe ich in den Endanflug ein. Bremsklappen raus, nur nicht zu langsam werden, Sommer Hügel – eh schon wissen, schön Schnauze nach unten, wie sie’s mir beigebracht haben, Fahrt 90, die weiße Schwelle am Beginn der Piste kommt näher, vorsichtig den Abfangbogen einleiten, dann schwebe ich das schönste Abenteuer in meinem Leben aus. Seidenweich setze ich den Blanik auf die Piste und rolle, bis er zum Stillstand kommt. Ein kurzes Krachen im Funk, er bewertet meinen allerersten Alleinflug trocken: – "Passt."